Compact hat in den Ausgaben 7 und 8 zwei Beiträge von Jan von Flocken veröffentlicht, eines offenbar auf die Geschichte der europäischen Dynastien spezialisierten Historikers. In dem ersten Beitrag schreibt er über die deutschstämmige englische Dynastie Windsor alias Sachsen-Coburg-Gotha, sicher kein typisches Compact-Thema, aber, na ja …!
Kommentar zum Artikel„Der Königsmord von Belgrad“ im Compact 8/2013, Branko Marusic ( 25.08.2013)
***
Im zweiten Beitrag befasst er sich mit den nicht gerade schönen Ereignissen in Belgrad 1903. Dem eigenwilligen König Aleksandar (der vom Autor genannte Aleksander I. war König von Jugoslawien von 1921 bis 1934) waren Wünsche seiner ehrgeizigen Frau mit einer sehr problematischen Vergangenheit wichtiger als das Wohl des Landes. Damit hat er einen blutigen Putsch provoziert, der ihn, seine Frau und einige ihnen nahestehenden Personen das Leben kostete. Das war lediglich eine innenpolitische Auseinandersetzung in Serbien. Der Autor wollte dies aber unbedingt mit gesamteuropäischen Ereignissen in Verbindung bringen, die zum 1. Weltkrieg geführt haben. Dafür hätte er sich aber mit der tatsächlichen Vorgeschichte befassen müssen, statt auf die populistische Geschichtsvariante der Österreicher zurückzugreifen. Als sich Serbien aus eigener Kraft, aber auch mit starker Unterstützung Russlands, zum großen Unwillen Wiens von der türkischen Herrschaft befreit hat, keimte auch bei der Bevölkerung Bosniens ebenfalls der Wunsch nach Befreiung. 1875 brach ein Aufstand gegen die Türken aus.
Drei Jahre später war dieses Ziel eigentlich erreicht: Nach der Niederlage der Türkei im Krieg gegen Russland sollte Bosnien gemäß des Friedensvertrags von Jedrene übergangsweise ein russisch-österreichisches Protektorat werden. Eine Vereinigung mit Serbien in absehbarer Zeit wäre wohl nicht mehr zu verhindern gewesen. Die erzkatholische Doppelmonarchie, die zähneknirschend einen Staat der orthodoxen Christen an ihrer Grenze hinnehmen musste, wollte keinesfalls deren Vergrößerung akzeptieren. Dank der Unterstützung von Bismarck hat sie beim Berliner Kongress 1878 in der Revision des Friedensvertrages von Jedrene erreicht, dass sie alleine Bosnien-Herzegowina besetzen durfte. Die türkische Besatzung wurde nun gegen den Willen der Bevölkerung durch eine österreichisch-ungarische ersetzt!
Vor allem für die orthodoxen Christen d.h. etwa die Hälfte der Bevölkerung, hat sich die Lage deutlich verschlechtert. Sie wurden stark diskriminiert, die Moslems und die Katholiken dagegen privilegiert. Dies hat freilich zu Animositäten auf der religiösen Basis geführt, die bis heute andauern! Es entstand eine geheime Widerstandsbewegung, getragen von jungen Leuten aller drei Konfessionen, die später unter dem Namen MladaBosna (Junges Bosnien) bekannt wurde. Auf die 1908 erfolgte Annexion reagierten sie mit Attentaten auf führende Persönlichkeiten der Besatzungsmacht, was wohl die einzige zur Verfügung stehende und deshalb auch legitime Waffe gegen die Besatzer war. Dass Mlada Bosna mit der erst später (am 5. Mai 1911) gegründeten Organisation Crna ruka (Schwarze Hand) in Serbien in Verbindung stand, ist doch logisch, da sie das gleiche Ziel verfolgten, nämlich die Befreiung von Bosnien-Herzegowina und deren Vereinigung mit Serbien. Mlada Bosna deshalb als Terrortruppe und Befehlsempfängerin von Crna ruka zu bezeichnen, geht zu weit, ist eigentlich zynisch.
Zu der Aussage des Autors, dass „auf dem Territorium der Doppelmonarchie zehntausende Serben lebten, vor allem in Bosnien“, sei zu ergänzen: Nach der Volkszählung von 1910 lebten auf diesem Territorium 1.569.848 orthodoxe Serben. Die katholischen Serben, früher separat erfasst, wurden den Kroaten zugeschlagen. Außerdem ist es äußerst problematisch, ein besetztes und später annektiertes Land als legitimen Teil des Territoriums des Besatzers zu bezeichnen!
Die Führung von Crna ruka wurde später den Regierenden von Serbien unbequem und deshalb im Juni 1917 vor ein Kriegsgericht gestellt. Apis und zwei seiner Kampfgefährten wurden als angebliche Hochverräter verurteilt und erschossen. Der Autor suggeriert, dass man eigentlich die Mitwisser der Vorgeschichte des Mordes von Sarajevo beseitigen wollte. Eine an den Haaren herbeigezogene absurde Behauptung, weil die Regierung von Serbien zu diesem Zeitpunkt keinen Grund dazu hatte!
München, 25. August 2013
Branko Marusic
Veröffentlicht 14.03.2014
2006-2014 ©novinar.de
… [Trackback]
[…] Information to that Topic: novinar.de/2014/03/14/die-vorgeschichte-des-attentats-von-sarajevo-1914.html […]