In der Welt von heute vollziehen sich tiefgreifende Wandlungsprozesse von einer unipolaren zu einer multipolaren Ordnung. Konfrontiert mit den wachsenden finanziellen, ökonomischen und sozialen Krisen versucht der entwickelte Teil der Welt deren Konsequenzen zu überwinden durch eine Verlagerung der Krisenlasten auf den Rest der Welt.
Von Živadin Jovanović, Belgrad
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Diesem Ziel dienen die noch vom Westen kontrollierten internationalen wirtschaftlichen, Finanz- und Handelsorganisationen. Gleichzeitig sind das offene Eingreifen in interne Angelegenheiten anderer Staaten, das Aufzwingen interner Konflikte dort, die gewaltsame Zersplitterung souveräner Staaten, sowie Aggressionen und Drohungen mit weiteren Aggressionen zum Merkmal der derzeitigen (Un)Ordnung der Welt. Organisationen wie die UNO, insbesondere der Weltsicherheitsrat, werden zunehmend ignoriert, missbraucht oder übergangen, während zur gleichen Zeit eine Minderheit der Staatengemeinschaft mit ihren regionalen wirtschaftlichen und militärischen Organisationen sich als die „internationale Gemeinschaft“ ausgibt.
Die militärischen Interventionen und Aggressionen der letzten beiden Jahrzehnte unterscheiden sich in der Tat von einem Land zum anderen. Aber die meisten, wenn nicht alle, haben auch viel gemeinsam, ausgehend von der Zerschlagung der SFR Jugoslawien (1991-1995) bis zur NATO-Intervention in Libyen 2011.
Erstens, alle sind geführt worden von den am weitesten entwickelten Ländern des Westens mit den USA und der NATO in der Führungsrolle.
Zweitens, die gemeinsame offizielle Rechtfertigung war angeblicher Schutz der Menschenrechte von nationalen, regionalen oder religiösen Gemeinschaften, die durch offensichtlich diktatorische Regimes gefährdet schienen. So wurde die Doktrin der „humanitären Interventionen“ von der Clinton-Regierung eingeführt.
Drittens, die reale Entscheidungsmacht bei allen Interventionen lag immer in den Händen der USA, wobei die NATO als Rahmen fungierte, um europäische Verbündete einzubeziehen – möglicherweise auch über die NATO- Partnerschaft für den Frieden (PFP) -, hauptsächlich um die US-Öffentlichkeit davon zu überzeugen, das die USA nicht allein vorgehen, wie auch um Truppenstärke sicherzustellen und die Kosten der Interventionen aufzuteilen.
Viertens, den USA/NATO Interventionen gingen immer diplomatische Bemühungen voraus, die darauf abzielten, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, das die militärische Intervention das einzige reale Mittel sei zum Erreichen der „humanitären Ziele“. Einige dramatische Ereignisse, wie z.B. „Massaker an Zivilisten“ oder „Gräueltaten“ (Markale – Bosnien, Racak – Kosovo) dienten als Auslöser zum Beginn der Aggressionen, ohne Billigung durch den UN-Sicherheitsrat. Die Aggression gegen den Irak (2003) und die anschließende Besetzung des Landes basierten auf falschen Beschuldigungen des Besitzes von Massenvernichtungswaffen.
Fünftens, den militärischen Interventionen der NATO/USA folgen stets die Einsetzung von Marionettenregierungen, die Einrichtung von US-Militärstützpunkten, massive Reformen und Privatisierungen ( ein Begriff, der in der Realität die Übertragung aller wesentlichen wirtschaftlichen und natürlichen Ressourcen an multinationale Konzerne mit dem Sitz in den Ländern der Aggressoren meint).
Sechstens, alle diese USA/NATO Aggressionen und Besetzungen haben, obwohl sie mit dem angeblichen Schutz von Menschenrechten gerechtfertigt wurden, in der Tat enorme menschliche Verluste zur Folge gehabt, inklusive des Tods von Frauen, Kindern und alten Menschen, die Zerstörung von Schulen, Krankenhäusern und historischen Denkmälern. Und was soll man über die „humanitären“ Auswirkungen der Geschosse mit abgereichertem Uran, das noch viele Jahre später Tod oder Missbildung von Babys verursacht, noch sagen.
Siebtens, die USA/NATO Aggressionen werden stets von einer zerstörerischen Kriegspropaganda begleitet, gesteuert von den imperialistischen Machtzentren, beheimatet hauptsächlich in den USA, Groß-Britannien und Deutschland. Ein wesentliches Ziel der US-Propaganda ist, die US-Öffentlichkeit in dem Glauben zu belassen, dass die USA eine vom Allmächtigen Gott aufgetragene zivilisierende Mission zur Ausbreitung der Demokratie und dem Wohlergehen der Völker auf den Planeten zu erfüllen habe, und zwar mit allen Mitteln, einschließlich Krieg. Eine derartige Ideologie kann kaum anders als imperialistisch und fundamentalistisch bezeichnet werden. Das Konzept der „humanitären Intervention“ wurde zum ersten Mal 1938 getestet, als Hitler mit Zustimmung von Neville Chamberlain und Edouard Daladier das in der Tschechoslowakei gelegene Sudetenland besetzte. Der Vorwand war der Schutz der Menschenrechte der dort lebenden deutschen Minderheit. Sechzig Jahre später führte die USA die NATO Aggression gegen Serbien (FR Jugoslawien ), vorgeblich um die Menschenrechte der albanischen Minderheit in der serbischen Provinz Kosovo und Metohija zu schützen. Diese Aggression hatte in gleicher Weise die Besetzung von serbischem Territorium zur Folge, die bis heute, dreizehn Jahre später, andauert. Ich möchte daran erinner, dass diese kriminelle Handlung die UN-Charta, die Abschlusserklärung der OSZE von Helsinki und alle Grundprinzipien des internationalen Rechts verletzte. Sie widersprach nicht nur dem Gründungsdokument der NATO sondern auch den Verfassungen von fast allen Mitgliedsstaaten dieser Organisation. Während der 78 Tage dauernden Aggression wurden mehr als 3.500 Menschen getötet, mehr als 10.000 verwundet, davon zwei Drittel Zivilisten. Noch heute, dreizehn Jahre danach, sterben Menschen weiterhin an den Folgen von abgereichertem Uran und anderer illegaler Waffensysteme, die von den Angreifern verwendet wurden. Der materielle Schaden für Serbien durch die NATO Aggression wird auf über 100 Milliarden US-Dollar geschätzt.
Die NATO und die USA haben die UNO missbraucht, um diese Provinz zu besetzen und sie Serbien zu stehlen. Sie sind verantwortlich für die Vertreibung von ca. 250.000 Serben und anderer Nicht-Albaner von dort. Und bis heute wird letzteren nicht gestattet, in Sicherheit in ihre angestammten Häuser im Kosovo und Metohija zurückkehren. Während der fortdauernden Besetzung wurden 150 mittelalterliche serbische Klöster und Kirchen von albanischen Terroristen zerstört. Einige dieser Monumente befanden sich unter der Schirmherrschaft der UNESCO. Über 1.300 Serben sind bisher entführt oder getötet worden, Vorgänge, die sich noch heute vollziehen. Kein einziger Schuldiger dieser Verbrechen ist bisher dafür verurteilt oder eingesperrt worden. Nachforschungen zum Handel mit menschlichen Organen, die vor drei Jahren vom schweizerischen Parlamentarier Dick Marty und von der parlamentarischen Versammlung des Europarats initiiert worden waren, wurden von den Aggressoren abgewürgt. Stattdessen haben führende NATO-Mitglieder einseitig die illegale Sezession der Provinz 2008 anerkannt, womit sie die UN-Sicherheitsratsresolution 1244 von 1999 ignorierten, die die Souveränität und territoriale Integrität Serbiens garantiert. Sie haben damit kein Problem gelöst, noch hatten sie jemals die Absicht den Menschen dort zu helfen, seien es Albaner, Serben, Roma oder andere. Sie verschaffen nur den Führern in Priština Schutz, ehemaligen Kommandeuren der terroristischen UCK/KLA, inklusive in den Organhandel Verwickelte und Bandenführer des organisierten Verbrechens. Und das ist auch kein Wunder, denn als Gegenleistung bekommen sie dafür freie Hand und Kooperation für eine ausgedehnte Besetzung eines strategisch wichtigen Teils Serbiens und des Balkans. Die Stationierung US-amerikanischer Truppenkontingente, die Errichtung militärischer Stützpunkte, effektive Kontrolle der Verkehrswege nach Russland, den kaspischen Öl- und Gasreserven, zum Nahen Osten und Zentralasien, all dies soll keinerlei finanzielle, moralische oder rechtliche Einschränkungen erfahren ! Nach der Eröffnung des ersten militärischen US-Stützpunktes „Bondsteel“ im Kosovo und Metohija im Jahr 2001 folgten drei neue Stützpunkte in Bulgarien, drei in Rumänien, andere in Ungarn, der Tschechischen Republik, Polen und den Baltischen Republiken. Ferner ist ein Raketenabwehrsystem an der Grenze zu Russland stationiert worden. Ähnliche Systeme werden für Zentralasien und die Golf-Region ins Auge gefasst.
Die Erfahrungen mit der NATO Aggression gegen Serbien (die damalige Bundesrepublik Jugoslawien-FRY), die als Präzedenzfall für weitere darauf folgende Aggressionen diente, bestätigen, dass es keine „humanitären Kriege“ gibt, sondern nur Eroberungskriege, Kriege für imperiale Beherrschung und Besetzung. Die NATO Aggression von 1999 gegen die FRY (Serbien) war kein humanitärer sondern ein imperialer Krieg. Da gleiche gilt für de Kriege in Afghanistan (2001), Irak, (2003) und Libyen (2011). Offenes ausländisches Eingreifen in den gegenwärtigen Konflikt in Syrien, die Bewaffnung von Aufständischen und Drohungen mit einer Militärintervention durch das Ausland, Kooperation mit Terroristensind wohl bekannte imperialistische Vorgehensweisen. Das Ausdehnen und das Schüren des internen Konflikts zur Rechtfertigung einer ausländischen Militärintervention sollten sofort gestoppt werden, um dem syrischen Volk die Möglichkeit gelassen werden, frei und friedlich über sein gesellschaftliches und politisches System und seine Zukunft zu entscheiden. Demokratie und Fortschritt werden nicht gefördert durch die Bewaffnung einer Opposition und von Terroristen, am allerwenigsten durch die Drohung mit Bombern, Panzern und Raketen. Die NATO ist ein Relikt des Kalten Kriegs. Sie besitzt keine weitere Existenzberechtigung und sollte daher aufgelöst werden. Die Verlautbarungen der im Mai 2012 in den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen neu gewählten serbischen Führung, die den Status der militärischer Neutralität des Landes bestätigt hat, befindet sich in Übereinstimmung mit ca. 75% der Bevölkerung des Landes, die gegen eine NATO-Mitgliedschaft sind.
Was unser Planet braucht sind nicht militärische Blöcke, ausländische Militärstützpunkte und Bewaffnung sondern stattdessen Freiheit, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Fortschritt.
Živadin Jovanović, Belgrad, war 1998 bis 2000 Außenminister der SFR Jugoslawien und ist heute Vorsitzender des “Belgrader Forums für eine Welt der Gleichen” (“Belgrade Forum for a World of Equals“). 2010 referierte er beim Friedenspolitischen Ratschlag an der Universität Kassel.
Bei dem vorliegenden Manuskript handelt es sich um einen Beitrag für die “World Peace Conference of the World Peace Council”, die vom 23. bis 24. Juli 2012 in Kathmandu, Nepal, stattfand. Titel des Manuskripts: THERE ARE NO HUMANITARIAN WARS.
Übersetzung aus dem Englischen: Eckart Fooken
http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Voelkerrecht/jovanovic.html
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